Historisches
Der Swing gilt als die wohl populärste Stilrichtung des Jazz, die in der Mitte der 1930er Jahre entstand und zwischen 1935 und 1955 ihren Höhepunkt fand. Swing ist jedoch nicht nur eine Kategorie, es ist Musik, die in die Ohren geht und deren einzigartiger Rhythmus im Grunde jeden mitreißt. Heute ist die Swingmusik wieder im Kommen und viele Menschen erfreuen sich an einer Musikrichtung mit Charakter, deren satter, voller Sound die Ohren umschmeichelt. Die Ära des Swing begann in der 1920er Jahren und ist untrennbar mit der Enstehung der für den Swing typischen Musikerformation, der Bigband, verbunden. Die Bigband geht in ihrer Besetzung auf die klassische, siebenköpfige New-Orleans-Jazzband zurück, wobei die drei Blasinstrumente der Band (Posaune, Klarinette und Trompete bzw. Kornett) nun mehrfach besetzt wurden. Weitere Einflüsse auf die Bigband hatten auch die ganz besonders im endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in den Südstaaten der USA beliebten Brassbands. Als Gründer der "Urbigband" jedoch wird im Allgemeinen der New Yorker Pianist und Arrangeur Fletscher Henderson gesehen, der als erster mit Mehrfachbesetzung im Bereich der Bläser spielte, wobei seine "Bigband" über eine Posaune, zwei Trompeten, ein Alt- und ein Tenorsaxophon, eine Klarinette sowie die Rhythmusgruppe verfügte. Die klassische Besetzung der Bigband (s. u.) setzte sich erst ab 1930 durch. Die Bigband als Musikerformation hatte ihren Durchbruch Ende der 1920er Jahre, und in dieser Zeit ist auch der Grund für ihren fast kometenhaften Aufstieg zu suchen. Nach der Weltwirtschaftskrise vom Oktober 1929 waren viele kleinere Ensembles zur Auflösung gezwungen. Die nun arbeitslosen Musiker faßten sich zur "wirtschaftlicheren" Big Band zusammen, um überhaupt wieder ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dies war die Geburtsstunde der Bigband.
Bigband und Swing
Die Bigband umfasst in der Regel bei der klassischen Besetzung 17 Musiker sowie den Bandleader. Charakteristisch ist die interne Einteilung der Band in drei Sektionen bzw. Gruppen. Die Reed- oder Holzsektion wird von einem Baritonsaxophon (bs), zwei Tenorsaxophonen (ts) und zwei Altsaxophonen (as) gebildet. Die Brass- oder Blechsektion setzt sich aus jeweils vier Trompeten (tp) und Posaunen (tb) zusammen. Als "Motor" der Band ist die Rhythmusgruppe zu verstehen. Klavier (p), Gitarre (g), Bass (b) und Schlagzeug (dm)) bilden diese Gruppe, bei der die Gitarre das Banjo, der Bass die Tuba bzw. das Sousaphon der alten New-Orleans-Jazzband ersetzt.Früher und in heutiger Zeit sehr beliebt waren bzw. sind die Erweiterung des Ensembles um Querflöten und Klarinetten. Orchestrale Instrumente wie Hörner, Tuben und Streichinstrumente konnten sich allerdings in der Ergänzung des instrumentalen Spektrums nicht durchsetzen.
Die Größe der neuen Formation von immerhin bis zu sechzehn Musiker zog zwangsläufig eine Veränderung in der Art des Musizieren nach sich. Der Hauptunterschied zur Musik der Dixieland-, New-Orleans- oder auch Chicago-Jazzbands war das niedergeschriebene, also in Form einer Partitur vorliegende Arrangement, da auf anderem Wege das Zusammenspiel von einer so großen Anzahl an Musikern nicht unbedingt mehr harmonisch verlief. Daraus folgte eine gewisse individuelle Einschränkung der musikalischen Freiheit der Jazzmusiker, die bisher ja das nur auf einigen festgelegten Harmonien basierende Improvisieren gewöhnt waren. Raum für Improvisation boten nun noch diverse Soli innerhalb der Nummern. Zum anderen verlangte das notierte Arrangement Notenkenntnisse von den Musikern. Jedoch ließen die nun durcharrangierten Stücke einen erheblichen Ausbau der harmonischen Basis zu, so daß kompliziertere Harmonien und Harmoniefolgen gestaltet werden konnten, was die Musik in der Regel interessanter machte. Aus alledem ist ersichtlich, daß hinter jeder erfolgreichen Bigband somit ein profilierter Arrangeur steht.
Durch die Aufteilung in verschiedene Sektionen entstanden für die Instrumentengruppen unterschiedliche Aufgaben. In der Spielpraxis übernehmen die Saxophone häufig die Melodiestimme, weshalb die Holzgruppe häufig auch als Melodysection bezeichnet wird. Beliebt ist auch eine Aufteilung der Melodie zwischen Holz- und Blechbläsern. Posaunen bilden die harmonische Basis. Klarinetten und Querflöten fungieren häufig als Soloinstrumente. Weitere Aufgaben der Trompeten ist das Einbringen von sog. shouts, rhythmischen, kurzen Einwürfen in der jeweiligen Harmonie, die zusammen mit einem fähigen Schlagzeuger einen Teil des Bigbandgrooves ausmachen. Das Klavier hat in der Bigband nun mehr melodische Aufgaben, als das in der New-Orleans-Jazzband der Fall gewesen war, wo es primär einen harmonischen Klangteppisch für die Soli der anderen Instrumente formte. Insgesamt ist der Charakter des Swing durch eine größere Harmonie in der Intonation gekennzeichnet, im Gegensatz zur Musik des Dixieland- bzw. New-Orleans-Jazz, wo primär der Rhythmus, als drive bezeichnet, im Vordergrund stand und der präzisen Intonation nicht soviel Bedeutung zugemessen wurde.
Was der einzelne Musiker in der New-Orleans-Band noch einzeln und improvisierend gespielt hatte, wurde nun im Arrangement mehreren Musikern im Satz übertragen, d. h., die eigentliche Melodie bekam nun mehrere untergeordnete Stimmen hinzugefügt. Die erfolgte nicht nach den Regeln europäischer Harmonik, sondern nach Prinzipien afrikanischer Polyphonie. Dies bezeichnet man als Parallelsatz. Daraus ergibt sich das angestrebte Ideal, daß der aus vier oder fünf Musikern gebildete Satz wie ein einziges Instrument, also klanglich ausgewogen und präzise intoniert, klingt.
Die wichtigste Spielweise aber, die der Stilrichtung Swing Mitte der 1930er Jahre auch ihren Namen verlieh, ist eine swing genannte, rhythmisch-dynamische Bewegungsform des Jazz. Diese kommt durch den Gegensatz von gefühltem Puls (die Grundschläge in jeder Taktart) und kleinsten rhythmischen Abweichungen der Einsätze der Instrumente zustande. Im durchgängigen sog. Offbeat-Spiel ganzer Melodiepassagen erhält das swing-Phänomen eine besondere Dominanz. Ein Beispiel möge das Gesagte verdeutlichen: das klassische, auch häufig vom Schlagzeuger markierte rhythmische Swingschema ist eine Viertelnote gefolgt von zwei (formalen) Achtelnoten, worauf wieder eine Viertel folgt und so weiter. Würde die Band beide Achtel straight, also tatsächlich halb so lang wie die Viertel spielen (wie es ja auch meist notiert ist), wäre das kein Swing. Tatsächlich wird die erste Achtel etwas länger als die zweite gespielt, was wiederum auch vom Tempo abhängt, und so ein federndes, tragendes Rhythmusgefühl erzeugt. Metrisch sind diese swing-eights dann identisch mit einer Achteltriole, wesewegen man das Phänomen des Swing auch als "Triolen-Feeling" bezeichnet.
Die musikalische Ausarbeitung dieses Sachverhalts sowie die Offbeat-Akzentuierung, also die minimale Verschiebung von Melodieakzenten gegenüber dem Grundschlag, obliegt in erster Linie dem Schlagzeuger meist auf seiner Snaredrum. Gleichzeitig markiert er beim Bigband-Swing den Puls, also den Grundschlag, auf seiner Basstrommel. Die oben beschriebene Rhythmusfigur der Viertelnote mit den folgenden zwei Achtel wird meist auf dem Ridebecken als Ostinato mehr oder weniger kontinuierlich durchgespielt. Vom rhythmischen Standpunkt aus betrachtet ist der Baß das wichtigste Instrument der Band. Ihm obliegt als Timekeeper die Vorgabe des Tempos und die Schaffung eines soliden, meist durch Viertelnoten auf den Grundschlägen charakterisierten Grundrhythmus, auf den sich der Rest der Band quasi "setzen" kann.
Die swingende Spielweise wurde hier also zum Stilkriterium, die zuvor nur zur Hervorhebung bestimmter melodischer Passagen genutzt wurde. In diesem Zusammenhang sei noch auf die All American Rhythm Section das Jazzpianisten Count Basie verwiesen, der mit Freddie Green an der Gitarre, Walter Page am Baß und Jo Jones am Schlagzeug die Besetzung einer Rhythmusgruppe schlechthin geformt hatte.
Ausblick
Der Swing als Stilrichtung des Jazz wurde ab Mitte der Dreißigerjahre zu einem Massenphänomen, nicht zuletzt durch die spektakulären Erfolge der Band des Klarinettisten Benny Goodman, und zog insbesondere die Jugend der damaligen Zeit in seinen Bann, so daß sich aus dem Swing eine Reihe wilder Tanzmoden entwickelten. Maßgeblichen Einfluß auf den Siegeszug des Swing hatte der Einsatz des Rundfunks, zunächst in den USA, nach dem Zweiten Weltkreig auch in Europa und ganz speziell in Deutschland, wo der Jazz während der Zeit des Dritten Reiches als "entartete Musik" verboten gewesen war. Übermittler dieser neuen Musikrichtung waren hauptsächtlich die amerikanischen Truppen in Europa. Zu erwähnen ist hier Glenn Miller, der 1937 seine Bigband mit dem typischen "Glenn-Miller-Sound" (vier Saxophone und führende Klarinette) gründete und schnell große Popularität genoß. Es entstanden Hits wie In The Mood, oder auch Moonlight Serenade, American Patrol, Chatanooga Choo Choo, Tuxedo Junction oder Little Brown Jug. Glenn Miller trat der Army Air Force bei und übernahm 1942 die Leitung der Army Air Force Band. 1944 kam Miller bei einem Versorgungsflug über dem Ärmelkanal ums Leben. Im Laufe der Zeit bildete der Swing einen Doppelcharakter aus. So wurde Swing zum einen als populäre Tanzmusik genutzt, andererseits fanden rein konzertante Darbietungen statt. Seinen Triumphzug feierte der Swing jedoch als Tanzmusik, und er erlangte eine noch nie dagewesene Popularität. Daraus leitete sich auch die kommerzielle Anpassung des Swing an den Geschmack des Massenpublikums ab. So wurden nun an der Tin Pan Alley, einer New Yorker Musikmeile, Swingnummern für das breite Publikum am laufenden Band geschrieben. Diese "Massenproduktion" und die wachsende Kommerzialisierung der Swing-Musik besonders durch weiße Bands (z.B. Glenn Miller) entfernten diese Richtung des Jazz aber deutlich von seinen afroamerikanischen Wurzeln. Dem wirkten die Musiker der folgenden Richtungen des Jazz, dem Bebop (ab 1940) und dem Cool Jazz (ab 1949/50), entgegen. In Clubsessions und Konzerten enthoben sie den Jazz seiner Gebrauchsfunktion als Tanzmusik.Heute jedoch ist der Swing wieder äußerst beliebt, und es lohnt sich immer, in diese Musikrichtung hineinzuhören.
Quelle: Wikipedia